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Was der Mensch sät, das wird er ernten

Eine zunehmende Gleichgültigkeit bei Kirchenmitgliedern beobachtet der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, laut idea-spektrum (Nr. 11 vom 12.3.2014). Dazu ist festzustellen: Diese Gleichgültigkeit ist kirchlich gewollt und seit Jahrzehnten künstlich gezüchtet. Vor meiner Suspendierung als Pfarrer der württembergischen Landeskirche im Herbst 1995 saßen mir in meinem Arbeitszimmer der damalige Oberkirchenrat Heiner Küenzlen und Prälat Gerhard Röckle gegenüber. Herr Küenzlen warf mir ein freikirchliches Gemeindeverständnis vor. Hintergrund war, daß ich zum Beispiel bei der Taufe von Säuglingen im Blick auf die Eltern eine minimale Beteiligung am Gottesdienst und am geistlichen Leben der Gemeinde erwartete. Geistlich und kirchenrechtlich war dies zwingend. Denn die württembergische Taufordnung formulierte zumindest damals noch in § 7 Abs. 1: „Solange ersichtlich nicht zu erwarten ist, daß das Kind in evangelischer Unterweisung als Glied der Gemeinde Jesu Christi erzogen wird, kann die Kirche nicht taufen.“ Hier liegt eine ausnahmslose Kann-Nicht-Bestimmung vor. Wenn sich Eltern seit Jahren oder Jahrzehnten nicht am geistlichen Leben der Gemeinde beteiligen, keine christlichen Gottesdienste besuchen und auch im Taufgespräch kein Interesse, ja oft nicht einmal die geringste Offenheit für den christlichen Glauben zu erkennen geben, dann ist eine christliche Erziehung ersichtlich nicht zu erwarten. Dem hielt Herr Küenzlen damals entgegen: Ein wesentliches Merkmal der Volkskirche sei, daß jedes Mitglied seine Nähe oder Distanz zur Kirche selbst bestimmen könne. Wenn ein Kirchenmitglied alle sechs Jahre an der Kirchenwahl teilnehme, habe es damit seine Pflichten als Gemeindeglied erfüllt. Herr Röckle widersprach nicht und war also wohl derselben Meinung. Herr Küenzlen fügte an mich gerichtet noch hinzu: „Wenn Sie Ihr Gemeindeverständnis nicht ändern, werden Sie auf die Dauer nicht Pfarrer dieser Kirche sein können.“ Ein Gemeindeverständnis, das die Gleichgültigkeit der Gemeindeglieder als quasi oberstes Rechtsgut bejaht, ist demnach Voraussetzung für den Pfarrdienst. Bleibt festzustellen: „Was der Mensch sät, das wird er ernten“ (Galater 6,7).
Diese Saat wollte ich nicht mit ausbringen. 1996 trat ich deshalb aus der württembergischen Landeskirche aus und bin seither Pfarrer und Pastor in verschiedenen freikirchlichen Gemeinden. Den Schritt aus der Landeskirche habe ich keine Sekunde bereut. Aber die Landeskirchen ernten die Früchte dieses volkskirchlichen Selbstverständnisses, das nicht nur im Widerspruch zur Heiligen Schrift und den Bekenntnissen der Reformation steht, sondern auch zu den eigenen kirchlichen Ordnungen.

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